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3500 deutsche Gymnasiasten als Juroren für den besten französischen Jugendroman  - Bundesjury auf dem Podium
«L'auteur présente un réalisme sans fard, qui touche le lecteur européen et qui lui ouvre un autre monde. Le livre montre que chacun, bien qu'il ne possède rien, donne un sens à sa vie. Nous qui possédons des biens matériels, devons nous engager à aider les autres. Le roman choisi a réussi à nous montrer de manière réaliste et passionnante un monde plein de luttes quotidiennes, mais aussi rempli d'amitié.»
"Der Autor zeigt die ungeschminkte Realität, die den Lesern in Europa eine andere, berührende Welt eröffnet. Eine Welt voll von Überlebenskämpfen im Alltag, aber auch reich an Freundschaften. Das Buch zeigt auf, dass jeder Mensch, egal was er besitzt, der Gesellschaft einen Sinn gibt. Wir, die materiell Privilegierten sind aufgerufen den anderen zu helfen."
(Zitiert nach der elektronischen Mitteilung des Bureau du Livre de Jeunesse in Frankfurt vom 27.03.07)
So lautet ein Auszug aus der Begründung der Schülerjury, die auf der Leipziger Buchmesse am 23. März 2007 schließlich den Sieger des diesjährigen «Prix des lycéens allemands» verkündete. Die Spannung war auf dem Höhepunkt, denn vorausgegangen waren natürlich Reden der beteiligten Institutionen, allen voran der Kulturbeauftragten der Französischen Botschaft in Berlin, wo die Idee dieses 2005 erstmalig verliehenen Preises entstanden war, einem Vertreter des sächsischen Kultusministeriums, des Klett-Verlags (der den Preis stiftet) und des Direktors der Leipziger Buchmesse.
Diese wurden unterbrochen durch Präsentationen der Schülervertreter der verschiedenen Bundesländer. Jeweils drei Personen stellten auf französisch einen der fünf zur Wahl stehenden Romane vor, inhaltlich und bezüglich seiner Stärken und Schwächen und schließlich anhand eines Auszugs, der erst im französischen Original und dann in deutscher Übersetzung vorgelesen wurde.
Die Romane waren: - Créature contre créateur von Sarah K. (2005)
- Felicidad von Jean Molla (2005)
- L'année de mes 15 ans von Marie-Claude Bérot (2006)
- Le roman de Noémie von Véronique M. Le Normand (2005)
- Maestro von Xavier-Laurent Petit (2005)
 - Xavier-Laurent Petit in der Franziskushalle
Zum Schluss verlas dann jeder Schülervertreter ein Argument zugunsten des bereits am Vorabend durch geheime Abstimmung ausgewählten Romans.
Und nach der Lektüre des Eingangszitats geht es einigen unserer Schülerinnen sicher genauso wie dem Publikum in Leipzig: Sie haben den Sieger längst erkannt, denn das Zitat passt nur auf den Roman, der am 15. Januar 2007 live in unserer Franziskushalle einem interessierten Publikum vom Autor M. Xavier-Laurent Petit vorgestellt wurde: «Maestro».
 - v.l.n.r.) Marie-Christin Graff (verdeckt), Carolin Hofmann, Roxana Lorenz, Monika Bach, Nadine Wagenhäuser, Helen Panzer, Désirée Lenhardt, Valeria Viegas Boloto
 - v.l.n.r.) Mansurah Rustaqi, Alice Welz, Deborah Freienstein, Laura Degen, Monika Kosik, Julia Krauß, Lisa Hill, Daniela Hojnatzki (verdeckt), Herr Gesser
Wie die Autoren der anderen 4 Romane tourte er im Vorfeld der Entscheidung durch Schulen in ganz Deutschland, organisiert und vor allem finanziert im Rahmen der Verleihung dieses Preises der deutschen Gymnasiasten.
Neben den an der Jury beteiligten Schüler(inne)n des Franziskus-Gymnasiums und des Burggymnasiums waren auch Schülerinnen der 10. Klasse mit Französisch als 1. Fremdsprache und des Französisch-Leistungskurses der MSS 11 anwesend.
Der Autor beantwortete knapp 2 Stunden lang vor allem die Fragen der Schülerinnen und lieferte viele interessante Hintergrundinformationen zum Roman, dessen Inspiration eine kurze Zeitungsnotiz war: es gibt tatsächlich ein Orchester von Straßenkindern, und zwar in El Alto in Bolivien, für das eine Initiative in Frankreich sogar ausgemusterte Saiten sammelt. Mittlerweile steht M. Petit in persönlichem Kontakt mit dem Dirigenten jenes Orchesters und entdeckt immer mehr Unterschiede zwischen der Realität und seiner fiktionalen Vision.
(Übrigens hat auch eine Mitschwester der Dillinger Franziskanerinnen, Sr. Iracy, die in Brasilien tätig ist, mit Straßenkindern ein Orchester gegründet)
Diese Lesung bleibt wohl allen auch deshalb in sehr positiver Erinnerung, weil M. Petit - ein ehemaliger Lehrer - es verstand, sich sprachlich und inhaltlich perfekt auf sein Publikum einzustellen, ohne ein Wort deutsch zu sprechen.
14 Tage später, am 25. Januar 2007, kam dann die Jury des St.-Franziskus-Gymnasiums, nämlich der Französisch-Leistungskurs der MSS 12, zur Diskussion und Abstimmung auf Schulebene im Leseraum zusammen.  - Sarah K. bei einer Lesung aus ihrem Roman auf der Leipziger Buchmesse
Viel Arbeit war diesem Ereignis vorausgegangen. Am Ende des 11. Schuljahres hatten sich die Schülerinnen freiwillig zur Teilnahme - und damit zur Lektüre von 5 Jugendromanen neben dem regulären Unterrichtspensum her - entschieden und sich dann erfolgreich beworben. Etwa 4 Monate hatten zum Lesen zur Verfügung gestanden, wobei jeweils 3-4 Schülerinnen Expertinnen für einen Roman waren, d.h. ihn am 25. Januar inhaltlich und positiv und negativ kritisch präsentierten. Inhaltlich zurückhaltend moderiert vom Fachlehrer, Herrn Gesser, diskutierten die Schülerinnen jeweils angeregt ihre mehr oder weniger verschiedenen Standpunkte, bevor man in geheimer Wahl zur Endabstimmung schritt. Die Entscheidung muss mit einer Zweidrittelmehrheit fallen. Und dies gelang den Schülerinnen auf Anhieb: eindeutiger Siegertitel in diesem Kurs - und mittlerweile muss dies kein Geheimnis mehr bleiben - war der Roman «Créature contre créateur» der Autorin Sarah K.  - Mansurah Rustaqi und Monika Kosik mit dem Siegertitel des SFG und dem zweitplatzierten Roman Maestro
Mansurah Rustaqi wurde auserkoren, als Schulvertreterin zur Entscheidung auf Landesebene nach Mainz zu fahren. Am 28. Februar 2007 trafen sich dort die Vertreter aller teilnehmenden rheinland-pfälzischen Schulen, um nach eingehender Diskussion den Landessieger zu küren und ihrerseits einen Landesvertreter für die Endausscheidung in Leipzig zu bestimmen. Man kann sich durchaus fragen, warum Schüler neben der Arbeitsbelastung der Oberstufenzeit bereit sind, soviel zusätzliche Energie aufzuwenden. Die Kulturbeauftragte der Französischen Botschaft listete in ihrer Ansprache folgende von den Schülern genannte Gründe auf: - "Von Beginn bis zum Ende des Projekts sind wir ernst genommen worden!"
- "Wir haben diese Arbeit mit großer Zufriedenheit gemacht, da wir festgestellt haben, dass wir ganze Bücher in einer Sprache lesen können, von der wir vorher dachten, dass wir sie nur unzureichend beherrschen."
- "Wir haben gespürt, dass die Sprache, die in diesen Büchern gesprochen wird, jene ist, die heute von den Jugendlichen in Frankreich gesprochen wird, und das hat uns besonders Spaß gemacht."
- "Wir haben konzentriert gearbeitet und häufig untereinander lange Diskussionen geführt, um unsere Wahl zu begründen, weil wir fühlten, dass wir eine echt Verantwortung tragen: für junge Leser das beste Buch des Jahres auszusuchen, das aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt werden sollte." (Zitiert nach dem Begleitheft zur Preisverleihung, S. 7f)
Genau dies ist nämlich der Preis, den der Klett-Verlag stiftet: 5000€ als Übersetzungszuschuss für den Siegerroman, der somit eine Chance erhält, auf dem deutschen Buchmarkt einem größeren deutschen Publikum bekannt zu werden.  - Dr. Klugkist vom Klett-Verlag und Jacques Bouché vom Institut français Mainz als Moderator der Veranstaltung überreichen den Scheck an den Sieger, M. Petit
Desgleichen scheinen aber auch die Fachlehrer, die den Ausgang der Entscheidung nicht beeinflussen sollen, aber doch den Schülern bei der Erarbeitung zur Seite stehen und ebenfalls viel Zusatzarbeit leisten müssen, vom Wert dieses Angebots überzeugt zu sein. Erstens spricht die jährlich steigende Teilnehmerzahl dafür, und zweitens hielt der baden-württembergische Vertreter der Lehrer anlässlich der Preisverleihung in Leipzig eine flammende Rede über die Wirkung der Beschäftigung mit den Jugendromanen auf den Unterricht. In klarer Anspielung auf die Romantitel sprach er davon, dass für ihn ein Traum in Erfüllung gegangen sei: endlich stünden im Unterricht nicht mehr «créature CONTRE créateur», sprich "Schüler gegen Autoren", sondern «créature AVEC créateur», die Schüler arbeiteten wie die «Maestros» und alle lebten in «Felicidad», d.h. der Stadt des Glücks.
Abschließend sei der Sprachbeauftragte der Französischen Botschaft erwähnt, der seiner Begeisterung darüber Ausdruck verlieh, und dies durchaus mit positivem Blick auf das deutsche Schulsystem, auf welchem sprachlichen Niveau die deutschen Schülerinnen und Schüler der Jury die Romane vorstellen konnten und wie spontan und eigenständig sie sich ein Urteil darüber zu bilden in der Lage waren.
«Chapeau!» - "Hut ab!"
Monika Jürgens
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